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  • AutorenbildEmily Paersch

Erinnerungen eines Glückkindes


Die Arbeit in den Steillagen war mühsam, doch wurde diese durch die hohe Qualität des Weines belohnt. Die Reben profitieren von den vielen Mauern. Durch die intensive Sonnenbestrahlung am Tag, speichern diese die Wärme, die auch in der Nacht noch an die Weinstöcke weitergegeben wird – beste Voraussetzungen für die Reife eines Spitzenweines. Aufgrund der gespeicherten Wärme taute im Winter der Schnee deswegen auch zuerst am Berg im Rebgelände.



Zu dieser Zeit begann mit dem so genannten Winterschnitt die Arbeit im Weinberg. Dabei wurde das im Sommer gewachsene, nicht mehr benötigte Holz vollständig entfernt, um so die Grundlagen für hochwertiges Traubengut zu schaffen. Das abgeschnittene Holz wurde sorgfältig in die folgende Reihe gelegt und nach Beenden der Arbeit herausgetragen. Früher waren diese so genannten Reißer zum Feuer anzünden sehr beliebt. Der Rest wurde an Ort und Stelle verbrannt. Damals wurde fast ausschließlich Riesling angebaut. Jeder Rebstock wurde zu einer Bogenrebe mit acht bis zehn Trieben erzogen. Dafür musste die Rebe an ihren Pfahl gebogen und gebunden werden. Feuchtes Wetter eignete sich hierfür am besten, denn dann waren die Reben geschmeidig und ließen sich am besten in Form bringen. Bei Trockenheit und Kälte brachen die störrischen Reben gerne zu einem „Katzenbuckel“ und außerdem wurden die Finger kalt. Bevor es den heute verwendeten Bindedraht gab, wurden zum Anbinden Weidenruten verwendet. Zu diesem Zweck wurden vorher an der Nahe oder dem Glan junge, dünne Ruten geschnitten. Während der Arbeit im Weinberg hingen diese dann als dickes Bündel am Rock oder Gürtel. Danach wurde das Unkraut, das zwischen den Zeilen gewachsen war, entfernt. Dabei wurde das Gras mit dem Karst, einer Hacke mit zwei Zinken, unter den steinigen und zum Teil schiefrigen Boden untergehackt. Auch dies war eine schwere und langwierige Sache. Die Bearbeitung des Bodens beanspruchte die meiste Zeit in den Weinbergen. Denn je nach Witterung wurde der Boden schon bald wieder grün und das Unkraut musste erneut abgehackt und gescheffelt werden.


Beim eben jenem „Wingerthacken“ hatte ich wohl meine ersten Berührungspunkte mit dem Weinbau. So soll mich mein Vater des öfteren mit dem Kinderwagen in den Berg getragen haben. Dort wurden die Räder des Kinderwagens in die Erde eingegraben, damit dieser nicht ins Rollen kam. Warm eingepackt lag ich dann zwischen den Rebstöcken und genoss die frische Luft.


Steillagen sind tückisch, denn wenn auf den frisch gehackten Boden ein schwerer Regen niedergeht, wird der Grund in den steilen Lagen nach unten geschwemmt. Damals musste die Erde mühsam mit dem Pferdewagen wieder nach oben gefahren werden. Das Ganze dauerte, denn vor derFahrt mussten erstmal die Pferde gefüttert und eingespannt werden. Im Frühjahr mussten die jungen Triebe der Rebstöcke vor Schädlingen und Krankheiten geschützt werden. Dazu wurde für die benötigte Spritzbrühe Kupfervitriol in Wasser eingeweicht, was dem Wasser eine schöne türkisblaue Farbe verlieh. Kupfervitriol war damals die Rettung für den Weinbau in Europa, da es den Winzern half, die aus Nordamerika eingeschleppte Pilzkrankheit Peronospora zu bekämpfen. Die Blätter sollten schön von unten mit der Spritzdüse getroffen werden, was dann wie ein blaugrüner Anstrich aussah.


Zu dieser Zeit wurden noch Rückenspritzen mit Pumphebel eingesetzt. Sie hatten ein enormes Gewicht und es war nicht leicht mit dieser Last auf dem Rücken die Reihen rauf und wieder runter zu wandern. Deswegen war auch dies eine klassische Männerarbeit, die später im Krieg aufgrund des Männermangels jedoch auch von Frauen übernommen werden musste. Die mit Spritzbrühe gefüllten Fässer wurden anfangs noch von Pferdewagen in den Weinberg gezogen – eine beschwerliche Fahrt. Später, als die Grossarths ihren ersten Ackerschlepper bekamen, war diese Arbeit etwas leichter. Die Grossarths waren sehr stolz auf ihre Neuanschaffung – einen Bulldog der Firma Lanz. Der Name Bulldog wurde vom Aussehen der ersten Bulldog-Motoren abgeleitet. Diese hatten Ähnlichkeit mit dem Gesicht einer Bulldogge. Um den Ackerschlepper starten zu können, musste der Glühkopf mit einer Lötlampe fast eine halbe Stunde geheizt werden. Zur Befüllung der Batteriespritzen wurde ein Schlauch bis zu der am besten zugängliche Stelle im Weinberg gezogen und dort die Füllstelle für die Spritzen aufgestellt.


Ein Problem war die Zubereitung der Spritzbrühe. Da Wasser auf dem Hof im Sommer meistens Mangelware war, musste es umständlich aus dem Glan gepumpt werden. Dort übernahm ein eigens abgestellter Mitarbeiter das Mischen der Spritzbrühe. So ein Spritzdurchgang dauerte ein bis zwei Tage. Dieser Vorgang musste das Jahr über je nach Witterung drei bis vier Mal wiederholt werden. Später, in den 50er Jahren, nutzte man zum Spritzen ein Gestänge. Dieses wurde ebenso auf dem Rücken getragen und hatte an den Seiten zwei Schläuche mit Spritzköpfen. Da das Gestänge recht lang war, wurden zum Spritzvorgang fünf Personen benötigt, die gemeinsam durch die Reihen gingen – einer in der Mitte und zwei an jeder Seite. Diese Methode kostete weit weniger Zeit, vorausgesetzt es platzte kein Schlauch. Ende der 30-er Jahren wurde in Odernheim am Glan eine Spritzbrühanlage gebaut. Auf einem aus Sandsteinen errichteten Raum ruhten hierfür drei große Behälter aus Beton, in denen die fertig gemischte Spritzbrühe lagerte.


Zwischen Mai und Anfang Juni, die Zeit, in der die Reben schneller wachsen, mussten diese vor dem Spritzgang nochmals angebunden werden, damit die Spritzer beim nächsten Durchgang ungehindert durch die Reihen gehen konnten. Dabei wurden ein oder auch zwei Bänder um Stock und Pfahl gebunden. Bei diesem Arbeitsdurchgang konnte man auch die unerwünschten Wildtriebe unten am Rebstock ausbrechen. Waren dann die letzten Reihen fertig, konnte das Unkraut flach über dem Boden gerupft oder wie wir sagten, geschüffelt werden. Später, in der Regel Anfang August, wurden dann die Triebe gegipfelt, also abgeschnitten, damit der Rebstock seine ganze Kraft den Trauben schenken konnte.


Anfang September waren die Arbeiten im Weinberg vorerst abgeschlossen und es wurde ruhiger. Dann hatte die Sonne die Aufgabe, die Reife der Trauben zu vollenden.

 

Quelle:

Buchausschnitt „Die Arbeit im Weinberg“



Die Autorin:

Helene Zimmer wurde im Jahr 1935 im pfälzischen Odernheim geboren. Aufgewachsen im traditionsreichen Weingut Disibodenberg hat sie früh gelernt, wie man ohne große technische Unterstützung im Winzerhandwerk arbeitete. In ihrem Buch beschreibt sie, wie unzählige Frauen während der Kriegsjahre ‘ihren Mann standen’. Schwerste körperliche Arbeit wurde nun mangels männlicher Arbeitskräfte zur Frauensache.


1955 wurde Helene Zimmer zur Weinkönigin der Naheregion gekürt.


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